Dienstag, 31. Mai 2011

Perfektionismus und Die Kunst, viele Facetten unter einen Hut zu bringen

Ein Grund, weshalb ich weniger schreibe, als ich eigentlich könnte, und warum ich auch nicht immer zu allem sofort mein Statement abgebe (sondern eventuell erst später - es sei denn, das Thema hat sich erledigt), ist, dass ich sehr perfektionistisch bin. Was ich von mir gebe, soll Hand und Fuß haben, möglichst fundiert und gut überlegt sein. Manches muss auch erst reifen, und im Verlauf dieses Reifeprozesses kommen vielleicht noch weitere Aspekte hinzu, die das Gesamtbild noch mehr komplettieren. Ich mag keine (womöglich) aus dem Zusammenhang gerissenen Fragmente abgeben, die sich im nächsten Moment schon wieder selbst wiederlegen oder zumindest nicht mehr als Puzzlestück ins Gesamtbild passen könnten. Ich möchte zuerst das Ganze sehen, oder zumindest einen größeren Überblick haben, bevor ich mich in der Lage fühle, mich kompetent zu etwas zu äußern. Dieser Anspruch bedingt zwangsläufig, dass ich für komplexere Themen Zeit brauche, und diese nehme ich mir dann auch, will mich da auch nicht unter Druck setzen, da ich mit dem jeweiligen Ergebnis auch zufrieden sein möchte.

Diesen perfektionistischen Anspruch habe ich übrigens auch bei kreativeren (literarischen) Texten. Das mag sich zunächst wie ein Widerspruch zu meinem vorigen Post anhören, ist aber eigentlich keiner. Denn auch bei Ideen für Geschichten (wenn ich mal wieder in einer Phase bin, wo solche sprudeln - momentan ist dies schon lange nicht so, kann aber noch irgendwann wiederkommen, ich möchte da auch nichts auf Biegen und Brechen erzwingen, zumal ich mir ja dann auch die Zeit und Muße für die Umsetzung nehmen muss) u. Ä. muss mir die Idee, das Große Ganze, schon ziemlich klar vor Augen sein, damit ich es motiviert angehe und auch bis zum Schluss durchhalte. Keine halben Sachen. Was hingegen die Details angeht, die fügen sich dann auf dem Weg nach und nach zusammen. Diese Einzelheiten sind es, die bei mir im kreativen Prozess spontan entstehen. Aber das Grundgerüst muss stehen!

Doch zurück zum Beispiel mit den Sachthemen. Wenn ich beispielsweise erwäge, meinen Senf zu einem Thema abzugeben, tue ich das in der Regel erst dann, wenn ich genug Infos beisammen habe, um diese zu untermauern. Ist meine Argumentation nicht lückenlos, fürchte ich oft, dass irgendjemand schon meine Achillesferse bei der jeweiligen Sache bemerken wird - und das wäre peinlich.

Beispiel EHEC: Schreibe ich, dass ich weiterhin Gemüse esse, könnte ich möglicherweise als Ignorantin oder als fahrlässig beschimpft werden. Dass ich dennoch mehr aufpasse, woher das verwendete Gemüse stammt, und zurzeit vorzugsweise gekochtes Gemüse verzehre (mal von den Tomaten abgesehen - den letzten Salat hatte ich bereits vor dem Lebensmittelskandal mit diesem Bakterium gekauft), gerät dann vielleicht schnell in den Hintergrund. Ebenso, dass ich ohnehin schon eine umgängliche Art und Weise, mit Rohkost umzugehen, pflege - also auch vor den klugen Ratschlägen des Robert-Koch-Institutes diese frischen Dinge sowie meine Hände stets gut abgewaschen habe - gerät dann eventuell aus dem Blickfeld.
Würde ich hingegen umgekehrt auf die Opfer verweisen, die nun einmal zweifellos sehr unter den Folgen leiden - blutiger Durchfall und eine Schädigung der Nieren sind nun einmal kein Pappenstiel - und es in einigen Fällen sogar nicht überleben, dann könnte mir hingegen Panikmache vorgeworfen werden, auch wenn ich tausendfach bekräftigen würde, dass ich die Sache nüchtern zu betrachten versuche und mir daher nichts ferner liegt als Panik.
Wie auch immer es also gedreht wird: Beide Arten, ein Statement darzulegen, bergen Fallstricke und zeigen eben nur jeweils eine Seite der Medaille. Wie lege ich es aber dar, wenn meine Sicht der Dinge irgendwo dazwischen liegt und ich beide Perspektiven in Einklang bringen will? Und zwar, ohne dass es widersprüchlich klingt?

So wie in diesem Beispiel gibt es bei den meisten Themen verschiedene, teils polarisierende, Standpunkte, und ich will halt so viel wie möglich dabei berücksichtigen. Ich weiß, manchmal ist es durchaus besser, "Mut zur Lücke" zu beweisen, denn wenn nicht alle Aspekte abgedeckt sind, bleiben immerhin mehr Punkte zur Diskussion offen. Im ungünstigeren Fall wird man mich korrigieren - doch selbst dann habe ich im Grunde nichts zu verlieren, sondern nur dazuzulernen. Denn perfekt bin ich nun einmal nicht, daran ändern auch keine Versuche, so nah wie möglich an die Perfektion zu gelangen. Fehler können auch im Versuch, alles perfekt zu machen, geschehen. Es schadet also nicht, das Ganze etwas entspannter zu nehmen und einfach mal zu machen. In Verschiedenem. In jedem Fall ist es eine Übung. Und nur Übung macht den Meister - nicht immer nur (und möglicherweise zu lange) abwarten und schweigend Tee trinken.

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