Montag, 11. September 2006

Fünf Jahre danach

Die Freiheitsstatue auf der Roten Couch

Eine Figur aus grauem Beton, die mit einer Fackel in der Hand seit Jahrhunderten im Hafen von New York jeden begrüßt, der erstmalig – unter welchen Umständen auch immer – dieses Land betritt.
Ein gewohnter Anblick?
Wer genau hinschaut, bemerkt, dass die Fackel aufgehört hat zu brennen. Sie hat die Sterne auf der amerikanischen Flagge abgebrannt, bevor ein Kurzschluss sie erstickt hat.

Eine seltsam altmodisch gekleidete Gestalt wandelt ziellos durch die Straßen. Obwohl es windig ist, weht ihr steingraues Gewand nicht. Es ist erstarrt, und wirkt doch auf chaotische Weise durchsichtig. Es wirft keinen natürlichen Schatten, denn dieser verdeckt wider alle Naturgesetze die Sonne.
Die mysteriöse Gestalt geht aufrecht wie ein Mensch, ohne eindeutig identifizierbar zu sein. Nach außen täuschen detaillierte, wie gemeißelte Konturen Echtheit vor, doch ihre Augen sind undeutbar, spiegeln nur vielfältige Farben wider, die sie selbst verwirren und uneins machen. Auch das Geschlecht der Gestalt ist nicht eindeutig definierbar. Ihre harschen Züge und extrem beherrschten Bewegungen wirken, ebenso wie ihr Hang zum heroischen Patriotismus, männlich. Doch diese Augen voller Leidenschaft! Sie zeigen, dass dieses mystische Geschöpf im Grunde längst ahnt, was der versteinerte Verstand immer noch leugnet: Dass nur eine Veränderung in den Denkstrukturen zu Gunsten der in seinem Kostüm steckenden Personen seinen Fortbestand gewährleisten kann.
Deshalb muss er aufhören, die Multiplität seines Wesens zu verleugnen, bevor seine eigenen, unterdrückten Stützpfeiler ihn erschlagen werden.

Wie ein Blitz taucht plötzlich ein Türschild vor ihm auf. „Prof. Dr. John Freedom, Psychiater“, preisen die Buchstaben an, die vor seinen Augen verschwimmen.
Das Gefühl, dass diese Tür ihm die vielleicht letzte Chance zu einer Lösung eröffnet, kämpft händeringend mit einem anderen, ungewissen Gefühl: Der Angst.
Der Angst wovor? Zu scheitern? Das Gesicht zu verlieren?
Welches Gesicht? Gleicht er nicht einem dieser mehrköpfigen Fabelwesen? Geht es nicht vielmehr darum, all diese Köpfe miteinander in gleichberechtigten, kompromissfähigen Konsens zu bringen, ohne ihre Individualität zu verletzen? Auch wenn das Erreichen dieses Ziels schwieriger ist als all diese Persönlichkeiten EINEM einzigen Willen unterzuordnen: Es lohnt sich. Um der Freiheit willen. Der Freiheit, die er stets gepredigt und doch nie durchgesetzt hat. Nicht überall. Nicht für jeden.
Ihm wird bewusst, dass er bei dem Wort „Freiheit“ immer nur an sich selbst gedacht hat. Er hat sich andere untertan gemacht, um seinen eigenen Einfluss in der Welt und auf die Gesellschaft zu vergrößern. Er hat „Freiheit“ mit Macht verwechselt. Und viele mussten leiden, die folternden Gitter der Willkür erfahren...
Nun voller Schuldbewusstsein und Reue, beschließt er, sich seinem Spiegelbild zu stellen, noch von Furcht geschüttelt vor dem, was er sehen wird. Als nacktes Zwitterwesen mit Dornenkrone betritt er die psychiatrische Praxis wie einen Beichtstuhl.

Nachdem er im Wartezimmer viele qualvolle Minuten einander widerstrebender Empfindungen durchlebt hat, wird er hereingerufen.
„Guten Tag, Mr. ...“
„America.“
„Wie?“
„America. Mr. America ist mein Name.“
„Sehr erfreut, Mr. America.“ Er reicht ihm die Hand. „Wie kann ich Ihnen helfen?“
Der wunde Punkt des Fremden ist berührt. Hilfe? Wozu brauche ich eigentlich Hilfe? Ich bin stark, ich muss mich allein aus dem selbst erschaffenen Schlamassel herausbugsieren!
„Ich bin Amerikaner.“ bringt er schließlich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
Der Professor stutzt. „Äh, ja, interessant... Wollen Sie erst einmal Platz nehmen, damit wir fortfahren können?“
Der Zwitter tut, wie ihm geheißen.
„Sie sind also Amerikaner.“ beginnt der Herr Doktor die Sitzung. „Sie sprechen das mit einem Selbstbewusstsein aus, das schon fast einen verborgenen Minderwertigkeitskomplex andeutet. So, als würden sie jeden Zweifel ausräumen wollen...“
Der Patient errichtet sich einen felsenfesten Schutzwall und schweigt.
„Schon gut.“ seufzt der Seelenklempner. „Erlauben Sie mir, von vorne zu beginnen. Sie sagen, Sie sind Amerikaner. Was bedeutet das für Sie? Worin liegt Ihre Identifikation mit Ihrem Land?“
„Ich bin stolz darauf, Amerikaner zu sein und für die Freiheit meines Landes zu kämpfen.“ sprudelt Mr. America, nun voll in seinem Element, hervor. „Ich liebe das Land, seine Menschen, und all das Glück, das es mir bringt. Jeder Tag hier bringt eine weitere Überraschung mit sich, und man weiß nie, woran man ist. Das ist das, was ich an Amerika am meisten schätze, denn ich bin immer auf der Suche nach Abenteuern...“
„Und was erhoffen Sie, in Ihren Abenteuern zu finden?“
Mr. America zögert. Darüber hat er sich zuvor noch keine Gedanken gemacht. „Ich denke, meine ,Abenteuer´ verschaffen mir das Gefühl, die Grenzen des Alltags zu überwinden.“ antwortet er dann philosophisch. „Sie geben mir ein Gefühl, lebendig zu sein. Ich bin ein freies Wesen...“
Aufmerksam lauscht der Arzt den gebetsmühlenartig heruntergerasselten Hollywoodfilm-Weisheiten des Hilfesuchenden und nickt. „Okay. Aber gestatten Sie mir eine Frage: Was verstehen Sie unter Freiheit?“
„Ich habe die Freiheit, mein Schicksal zu wählen.“ erwidert dieser achselzuckend.
„Sie erwähnen Schicksal und Freiheit in einem Atemzug...“ bemerkt der Psychiater. „Aber ich will jetzt nicht an unangebrachter Stelle nuancieren. Gibt es noch etwas, das Freiheit für Sie persönlich bedeutet?“
Mr. America kommt ins Grübeln. „Hm... Freiheit... für mich... nun ja, ich habe die Freiheit, ich selbst zu sein...“
„Und wer sind Sie?“
„Ich bin Amerikaner.“
Der Seelenarzt rollt mit den Augen. „Ich habe nicht gefragt, was Sie sind, sondern wer. Wie würden Sie sich am ehesten beschreiben?“
„Ich... ähm... tja... ich bin kein Mensch, sondern ein Volk...“
Zunächst hebt der Psychiater verdutzt die Brauen, doch dann hat er sich wieder gefasst.
„Sie identifizieren sich also so sehr mit ihren Mitbürgern, dass Sie mit ihnen verschmolzen sind, ohne sich individuell hervorzuheben, richtig? Sind Sie sozial engagiert?“
Mr. America schüttelt den Kopf. „Ich wollte damit ausdrücken, dass... Eigentlich bin ich keine Person, sondern mehrere...“
„Ah, da liegt nun das Problem!“ Der Psychiater, der sich in seiner Rolle bestätigt fühlt, nimmt seinen Notizblock hervor und kritzelt eifrig etwas darauf:
Diagnose: Schizophrenie im fortgeschrittenen Stadium. Verdrängung der Tatsachen. Neigung zum Egozentrismus als wirkungslose Gegenmaßnahme. Zweifel führen zur Selbstflucht.

„Allmählich dringen wir zum Kern vor. Darf ich Sie bitten, sich bequem hinzulegen?“
Das lässt sich Mr. America nicht zweimal sagen.
„Okay. Jetzt schließen Sie die Augen und entspannen Sie sich. Wie fühlen Sie sich?“
Ich habe Angst, die Kontrolle zu verlieren!
„Ganz akzeptabel.“ sagt er nur.
Dr. Freedom betastet verschiedene Muskelpartien. „Sie sind ja total verkrampft! Sie müssen loslassen. Konzentrieren Sie sich auf Ihren Atem, spüren sie bewusst Spannung und Entspannung nacheinander in jedem Ihrer Körperteile!“
Das ist es ja! Ich spüre NICHTS! Nicht einmal meinen Puls.
„So kommen Sie nach und nach zu sich selbst.“
Ach ja? Wie kommt es dann, dass ich mich nicht wahrnehme?
„Dann müssen Sie sich lösen...“
Und was ist, wenn das Problem genau DARIN liegt, dass ich bereits zu weit von mir entfernt bin? Soll ich etwa in OHNMACHT fallen?
„Ganz locker!“ fährt die beruhigende Stimme von irgendwoher fort. „Sie beginnen zu schweben, ihre Flügel tragen Sie über weites Land... Beschreiben sie mir die Landschaft, die sie sehen!“
Von unbeschreiblicher Entfernung erschallt seine eigene, verdorrt klingende Stimme: „Wüste, verbrannte Erde... Menschenkadaver... Trümmerhaufen... sengende Hitze... Spuren abgezogener Panzer... Chaos... überall Zerstörung und kein Ende...“
Kriegstrauma, schreibt der Professor nüchtern auf sein Notizblatt.
„Nun erheben Sie sich aus Ihren Trümmern und lassen sie hinter sich. Was erblicken Sie vor sich?“
Obwohl Mr. America versucht, die Bilder abzuwimmeln oder zumindest zu verfälschen, kreisen immer nur dieselben ihn in Mark und Bein verletzenden Schnappschüsse vor seinem inneren Auge: Zwei einstürzende Türme. Die brennende US-Flagge. Ein dunkler bärtiger Mann mit knochendürrem erhobenen Finger. Hass! Rache!
Erst als Dr. Freedom seine Frage wiederholt, klettert der Kranke mit letzter Kraft aus dem Loch empor, in dem er sich – wie schon so oft – verfangen hatte.
„Tja... Hm... ich sehe nichts...“
„Aber etwas müssen Sie doch sehen...“
„Nein! Alles, was von Bedeutung war, ist vernichtet. Es geht nur noch darum, das auszulöschen, was uns kaputt gemacht hat! Der TERROR muss ein für allemal ein Ende haben!!!“
„Welcher Terror?“
„Die Achse des Bösen! Sie müssen alle vom Erdboden getilgt werden!“
„Nun mal halblang! Sie verlieren den Überblick! Gegen wen richtet sich ihr Hass denn?“
„Gegen die Terroristen! Gegen die, die mich entmachtet haben! Gegen die Ungläubigen...“
„Moment! Sie können doch nicht eine ganze Religion verurteilen, bloß weil eine Gruppe deren Namen für ihre Zwecke missbraucht hat. Sie nehmen sich das alles zu sehr zu Herzen.“
„Ja, denn es ist MEIN Herz, das blutet!“ Mr. America gerät in Rage. „Verstehen Sie immer noch nicht: Ich BIN Amerika!“
Er will aufspringen, doch der Psychiater hält ihn zurück. „Jetzt halten Sie die Luft an! Immerhin weiß ich nun, dass wir heute nicht weiterkommen. Auf Wiedersehen, Mr. America!“

„Good morning, America!“ begrüßt Dr. Freedom seinen Patienten scherzhaft, in der Hoffnung, auf diese Weise durch die Mauer hindurchzudringen.
Als er merkt, wie sich dessen Miene verdüstert, weiß er sofort, dass er am falschen Ende angesetzt hat. Dieser eigenartige Mann macht es ihm auch nicht gerade leicht, seine Aufgabe zu erfüllen...
Nachdem er Mr. America zur Roten Couch geleitet und mit den üblichen Entspannungstechniken auf die folgende Sitzung vorbereitet hat, knüpft er mit ein paar einleitenden Worten dort an, wo letztes Mal geendet wurde.
„Bei Ihrem vorigen Besuch wurde deutlich, wie sehr Sie sich mit Ihrem Land identifizieren. So sehr, dass Sie es in Ihrer eigenen Person widergespiegelt sehen.“
„Ich reflektiere nicht meine Einwohner, die Einwohner reflektieren sich auf meiner Oberfläche!“ erwidert der Angesprochene.
Der Arzt räuspert sich. „Mein Eindruck ist eher, dass Sie sich die unterschiedlichen Menschentypen, die in Amerika inzwischen heimisch sind, sprichwörtlich einverleibt haben.“
„Ich habe mir die Menschen nicht einverleibt, sie wurden mir eingeflößt!“ erwidert Mr. America. „Sie haben sich mir aufgedrängt, und ich musste sie aufnehmen.“
Der Psychiater nickte. „Sie fühlen sich ausgeliefert. Doch ich kann Ihnen helfen, aus Ihren zwiespältigen Persönlichkeiten eine einzige zu formen. Sie müssen sich selbst mit all Ihren widerspenstigen Eigenschaften akzeptieren lernen...“
„Darum geht es nicht! Ich will lernen, sie alle unter einen Hut zu bringen, ohne dass einer von ihnen zerquetscht wird.“
„Ja. Und deshalb müssen Sie zuerst die Karten offen auf den Tisch legen, um dann eine Person nach der anderen als Teil Ihrer Selbst zu entlarven.“
„Aber das weiß ich doch längst! Herr Doktor, ich bin nicht hier, um Menschen zu töten, sondern um ihr Leben zufriedenstellend zu gewährleisten, um innere Konflikte beizulegen.“
„Allmählich kommen wir überein. Nun unternehmen wir eine kleine Phantasiereise. Okay?“
Mr. America nickte wie besessen.
„Nun gut. Schließen Sie die Augen und begegnen Sie sich selbst. Wem laufen Sie als erstes über den Weg?“
„Ich sehe ein Schiff, das gerade an Land angedockt hat. Menschen in steifen englischen Uniformen steigen von Bord und jagen mit Gewehren in der Hand über die wilde Prärie.
Ich sehe, wie ein Ureinwohner in seinem eigenen Blut ertrinkt, und die Überlebenden werden in Reservate gepfercht...
Nein, nein, das bin ich nicht! Das war ich nicht! Zu schreckliche Bilder!“
„Sie wollten doch nichts verdrängen! Denken Sie daran, dass jedes Detail Aufschluss über Ihre Identität geben kann. Sie wollen sich selbst kennen lernen, oder nicht?“
„Ja! Also gut. Aber ach, all dieses Leid, das die Menschen auf meinem Grund und Boden durchmachen mussten! Alles war gut – sogar die internen Stammeskämpfe folgten einer bestimmten Ordnung – bis die weißen Siedler kamen und in grauenhaften Razzien alles dem Erdboden gleichmachten, was sich außer ihnen bewegte...
Dann wurden sie sesshaft, bauten Städte und Dörfer und Eisenbahnen, die diese verbanden, taten so, als wäre nichts gewesen, und fühlten sich wie die Könige der Welt – Ein Reich, errichtet auf Leichenbergen...“
Dr. Freedom nickt beflissen. Er ist verblüfft, wie perfekt sich sein Patient auf seine Krankheit eine ganze Geschichte zusammenreimt. Bis ihm auffällt, dass es sich just um die amerikanische Geschichte von ihren Anfängen an handelt.
„Das waren jene, die freiwillig herkamen.“ fährt Mr. America fort. „Später wurden von der Elfenbeinküste her Bewohner des afrikanischen Kontinents als Sklaven hierher verschifft, um auf südländischen Plantagen zu schuften. Der mühsame Befreiungskampf wurde zwischendurch immer wieder durch Anschläge der weiß maskierten Christen des Klans zerschlagen.
Schließlich kamen in mehreren Einwanderungswellen aus unterschiedlichen Gründen Immigranten ins Land, als politische Flüchtlinge, legal oder illegal, aus persönlichen oder wirtschaftlichen Interessen.
So besteht mein Verantwortungsbereich heutzutage aus den differenziertesten ethnischen Gruppen, und meine Bestimmung ist es, sie alle auf emanzipierte Art zu integrieren.“
„Sie sind politisch aktiv?“
„Die Politik ist ein Gremium, das normalerweise nach allgemein von allen, die unter meinem Dach leben, anerkannten Lösungen suchen sollte. Doch sieht es zur Zeit so aus, dass sie nur aus eigenen Interessen heraus handelt, ohne die verschiedenen Bevölkerungsgruppen zu beachten.“
„Interessant.“
„Interessant? Es ist ein Skandal! Politik verkommt zu einem einzigen Machtspiel zwischen zwei Parteien – die eine bestehend aus den Nachkommen der ersten weißen Siedler der Südstaaten, die andere immer wieder gehemmt durch erstere. Einer breiten Masse ist weder mit der einen noch mit der anderen Partei gedient. Amerika ist nicht schwarz oder weiß, sondern schwarz und weiß und bunt! Und eben diese Vielfalt ist Grund zum Stolz, nicht diese Selektierung, nicht dieses An-die-Wand-spielen...“
„Ich verstehe. Wenn wir aber jetzt doch zu Ihrem Anliegen zurückkehren könnten...“
„Wann begreifen Sie endlich: Das IST gerade der Punkt!“
Der Psychiater beginnt, sich zu fragen, wie lange er sich das Gerede noch anhören soll.
„Es gibt keine Sicherheit mehr!“ platzt Mr. America in einem neuen Anfall hervor. „Die Leute haben vergessen, wer ich bin. Ich bin nur noch ein umherschleichendes Phantom, das aus Frust die Welt durcheinander bringt, die Luft verpestet und anderen Staaten profitable Rohstoffe entzieht. Ich bin süchtig nach Konsum und Öl. Meine Werte verfallen – es ist nur eine Frage der Zeit...“
„Na, wer wird denn gleich...“ beschwichtigt der Professor. „Sie können immer noch aufstehen, um etwas zu ändern!“
„Ist es denn nicht schon zu spät? Und birgt Veränderung nicht neue Gefahren in sich?“
„Nun, Sie müssen jede Handlung vernünftig abwägen, bis alle Ecken ideal geschliffen sind. Doch das Wichtigste: Horchen Sie auf alle Stimmen! Mit Hilfe aller werden Sie Ihre Position wiederfinden. Es ist nicht leicht; aber Einsicht ist meistens der erste Schritt.“
„Danke, Herr Doktor! Sie haben mir das Leben gerettet! Jetzt muss ich nur noch die Menschen für die Wahrheit sensibilisieren und mobilisieren. Ich habe viel zu tun. Wiedersehen!“

Eilig schreitet Mr. America von dannen. Erhobenen Hauptes dem Sonnenuntergang entgegen. Noch hält er sich der Vorsicht halber im Schatten der Häuser verborgen.
Er registriert, wie ein Araber mit amerikanischem Pass durch zwei Polizisten zusammengeprügelt wird. Das ist eine Folge dessen, was geschehen ist. Auch rechtschaffene Moslems werden hier von jetzt an wie Al Kaida-Mitglieder behandelt. Man muss jedoch den Teufel von den Menschen trennen. Es macht keinen Sinn, Unschuldige zusammen mit den Schuldigen zu verteufeln. Dies ist ein Rechtsstaat, und Gerechtigkeit soll nicht nur groß geschrieben, sondern in durchgehenden Großbuchstaben allen Leuten, einschließlich der Leithammel, auf einem Plakat in Lebensgröße vor Augen gehalten werden!
Damit zum Beispiel dieser Moslem friedlich seinen Gebetsteppich über den Boden der Moschee breiten kann, ohne um seine Existenz fürchten zu müssen.
Schon morgen wird ein anderer Tag. Und übermorgen wird eine neue Ära anbrechen. Eine Ära des harmonischen Miteinanders, in der Kontraste nicht mehr als unüberwindbare Grenzen betrachtet werden.

© Karin Scherbart


Diesen Text habe ich bereits vor einigen Jahren geschrieben (zwar einige Zeit nach den tragischen Ereignissen des 11. September 2001, doch zu einer Zeit, wo ich noch nicht ahnen konnte, wie erstaunlich aktuell er am heutigen Tag noch sein würde).
Er ist bereits in einem Buch veröffentlicht worden, was mich natürlich auch sehr gefreut hat. Aus aktuellem Anlass (siehe Datum) setze ich ihn nun als (Ge-) Denkanstoß auch hier hinein.

Wortreich

Komm
nimm dieses Wort
in Deine Hand.
Spürst Du
wie es warm
ruhig darin liegt?

Komm
nimm es ruhig
hab keine Angst
es beißt nicht.
Spürst Du
wie seine Energie
in Deine Glieder fährt?

Komm
mit auf die Reise
durch die es Dich
begleiten will.

Spürst Du
wie frischer Atem
Deine Lungen füllt?

Spürst Du
was es bedeutet
Dir geben kann
wenn Du es nur
LIEST?
Die Botschaft liest
die Dir eine neue Welt
eröffnet.

Spürst Du es?

Also komm –
komm mit
ins Abenteuerland
der geschriebenen Worte.

© Karin Scherbart


Ich finde es unfassbar, dass es noch immer fast vier Millionen Analphabeten oder auch Quasi-Analphabeten (im Fachjargon "funktionelle" Analphabeten genannt, mit denen Menschen gemeint sind, die es zwar eigentlich können - klar, sie haben es ja wie alle anderen auch in der Schule gelernt - aber dennoch in der Anwendung so unsicher sind, dass es für sie schon ein Problem darstellt) gibt.
[Und laut PISA-Studie sind 20 % aller 15-jährigen deutschen Schulabgänger nicht in der Lage, einen durchschnittlich einfachen Text zu lesen oder gar zu verstehen; nicht der einzige Punkt, in dem Deutschland hierbei bekanntlich zu den Schlusslichtern gehörte.]
Noch unvorstellbarer ist für mich da nur, dass trotz dieser Tatsache die Streichung von 15 Mio. € Fördergeldern innerhalb der nächsten 5 Jahre zur Debatte stehen.
Wie passt das zusammen? Wo liegt da der Sinn? Aber das ist nun mal Politik...

Mit dem Gedicht hingegen wollte ich eigentlich eher ein gegenteiliges Zeichen setzen. Auch wenn die Zielgruppe das wahrscheinlich (leider) nicht wird lesen können.

Samstag, 19. August 2006

Vom Aussterben bedroht

Zwar weiß ich nicht, was ein »Dups« ist. Es würde mich aber durchaus interessieren, was es unseren »Altvordern« früher einmal bedeutet hat.

Weder laufe ich noch im »Bratenrock« herum, noch habe ich (zum Glück) je ein »Consilium Abeundi« erhalten, wenngleich das mit der »freventlichen« »Geheimbündelei« oder gar »Büberei« frönenden, die Schulbank drückenden »Bankerts« aus dem »Alumnat«, die ihre »hoffärtigen« »Faustkämpfe« auch noch für einen »äsopischen« »Gassenhauer« halten, durchaus auch heute noch passieren kann (auch wenn das Alumnat längst durch ein Internat ersetzt wurde).

Doch selbst wenn ich im 21. Jahrhundert nicht mehr durch eine »Bresche« schlüpfen muss, sondern allenfalls noch in alten Burgruinen durch sie hindurchblicken kann, möchte ich doch hin und wieder gern elegant wie zu barocken Zeiten durch eine »Chaussee« spazieren statt über eine Asphaltstraße - auch wenn sich die »Estrade« rein objektiv gesehen nicht dadurch ändert, ob ich mit damenhaften Pumps oder mit ausgelatschten »Galoschen« darüber trete.

Wenn sich die Gelegenheit bietet, bin ich auch nicht abgeneigt, mal einen der vielen »Gasometer« im Ruhrpott zu besichtigen.

Zwar rede ich vielleicht »generaliter« nicht so viel nachge«äfften« »Galimathias« wie andere Menschen (dessen kann ich sehr gut »entraten«, ebenso der uralten Zunft der »gaukelnden« »Hofschranzen«, die es zum Leidwesen einiger auch heute noch, nur im anderen Gewand, gibt), und habe auch noch nie ein Liedel auf der Fiedel gespielt.

Auch für den »Bürolisten« würde ich mich heute nicht mehr »interzedieren« (und der »Bankbeamte« ist meines Wissens auch nur noch »angestellt«).

Dafür »hupfe« ich auch heute noch gerne mit oder ohne »Büttel« wie ein »Bonvivant« über das »Blachfeld«. Und ich finde es einfach »ambrosisch«, wenn morgens über mir der »Brausekopf« die Wasserstrahlen frisch über meinen Körper rieseln lässt - wenn ich schon nicht »bloßfüßig« über irgendeinen Strand laufen kann.

Manchmal wünschte ich, ich könnte mich abends nach einem geschäftigen Tag mit meinem »Augenglas« in ein plüschiges-edles »Fauteuil« setzen statt mit der Brille auf der Nase auf ein biederes Sofa (während andere womöglich mit der Nase über die Couch stolpern, bevor sie sich dann auf ihre Kontaktlinsen setzen ;)). Oder mich vielleicht ganz orientalisch wie Kleopatra auf einem »Diwan« ausstrecken und genussvoll Weintrauben - natürlich ohne »Geziefer« "franko" Domizil geliefert- von der Rebe essen, bis ich »Bauchgrimmen« davon bekomme.

Im Grunde bin ich für mein Alter immer noch ein ziemlicher »Backfisch«, wie ich »einstmals« einer war. Ich bin zwar persönlich nicht sehr »gottselig« und habe auch kein »Doktorat« wie die «hochwohllöblichen« Herrschaften, die so viele schöne Wörter »entduden« wollen. Aber dafür bin ich nach wie vor »ehrsam«. Und bestimmt werde ich auch irgendwann den ehrwürdigen »Galan« kennen lernen, der mir hoffentlich nicht allzuviel »Herzeleid« bereitet und den ich dann eines Tages auch - hoffentlich für »allezeit« - »ehelichen« werde. Es muss ja nicht gerade einer von der »altfränkischen« »Bauernsame« sein, aber wer kann das schon im Vornhinein »estimieren«?

Nein, ich trachte wirklich nicht danach, »genant« zu sein, will niemanden mit dem - wenn auch nicht »höchsteigenen« - »Häckerling« »inkommodieren«, aber die »glimmrige« Vielfalt der deutschen Sprache derart farblos zu vereinfältigen, das finde ich einfach »hanebüchen« - auch wenn die Betreffenden beileibe keine »Dalbern« sind. Es »gereut« mich aber auch nicht, das mal ganz ungeniert gesagt zu haben. Man wird mich schon nicht dafür »henken«. In Wahrheit bin ich doch »honorig« und vollkommen »harm«los. Dafür könnte ich wenn nötig sogar den „gebührlichen“ „Erweis“ erbringen.

Inzwischen ziehe ich es jedoch vor, beizeiten weiterhin "holdselig" dem „Honigmond“ zu „huldigen“, so wie ich es in nächtlicher Stunde ab und an zu tun „geruhe“.

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Weitere aussterbende deutsche Wörter gibt es mit einem Klick auf den Link.

Montag, 7. August 2006

Mir graut nicht - mir buntet :)

Nachts sind alle Katzen grau - so sagt man.
Doch wer wachen Auges genauer hinschaut, entdeckt bald die eine oder andere Farbnuance, die sich von den grauen Punkten im Gesichtsfeld hervortut.

Nachts verschmelzen alle Schatten mit der Dunkelheit - denken die meisten.
Und erschrecken dann umso mehr, wenn dann einer plötzlich im Scheinwerferlicht auftaucht.

Nachts bleibt alle Theorie grau - so möchte man meinen.
Dabei ziehen gerade nachts die Gedanken in allen Regenbogenfarben auf. Nur die Praxis wartet bis zum Morgengrauen - und manchmal wird sie auch alt und grau darüber.

Nachts erscheint jedes Grauen vierdimensional - so erleben es viele.
Aber in Worte gekleidet verwandelt sich jeder Drache in eine zahme Eidechse.

Nachts sieht die Welt so traurig aus - so empfinden es manche.
Für mich ist es eine Freude, dem silbernen Mond Gesellschaft zu leisten, bis ich große Lust habe, in seinem Schein zu tanzen.

Sind nachts noch alle Katzen grau, wenn man stattdessen auch in die leuchtend grünen Augen sehen kann, in denen sich mal eine weiße, mal eine rötliche Kugel und manchmal auch eine Sichel spiegelt?

Sonntag, 6. August 2006

Das Wesen der Angst

Du denkst, Dir jagt so schnell nichts mehr Angst ein – denn Du hast sie oft genug erfahren.
Du weißt, was Angst bedeutet – weil Du sie selbst so viele Male erlebt hast. Jedenfalls solltest Du es wissen.
Doch wenn Du das Wesen der Angst wirklich kennst, wie kannst Du dann behaupten, Du wärst aufgrund Deiner Erfahrungen mit Ihr davor gefeit? Ich meine, vor der Angst, die nicht nur Spiel ist, sondern vor der echten, furchterregenden, machtvoll fesselnden Angst?
Nun, ich bin die Letzte, die Dir diese Illusion nehmen will. Schon gar nicht, wenn sie Deine einzige Waffe gegen sie ist. Obwohl es fraglich ist, ob sie sich damit bekämpfen lassen wird, aber so lange sich keine Alternative ergibt (Gibt es eine? Wenn es schon keine „Pille gegen Angst“ geben kann), sind wir gut beraten, damit zu leben – natürlich ohne sie noch zu schüren.
Zweifellos ist es besser, eine Illusion aufrecht zu erhalten, als von der großen, unberechenbaren Angst getragen zu werden. Niemand mit dem klarsten Verstand, noch der von der Angst Getriebene könnte in vollem Ausmaß voraussehen oder gar steuern, wozu das führen würde...

Was ich noch sagen wollte

„Das hätte ich jetzt nicht von Dir erwartet.“
Wie solltest Du auch? Du kennst mich doch gar nicht. Wie kannst Du da etwas von mir erwarten?
„Du wirkst irgendwie ganz anders.“
Tja, ich bin auch anders. Aber ich bleibe dabei auf dem Teppich. Was auf dem ersten Blick wie eine Tarnkappe aussieht (so etwas haben ehrliche Menschen nicht nötig), nennt man in Wahrheit wohl Lebenskunst. Es ist die Fähigkeit, den fröhlichen Tanz auf dem seidenen Faden des Lebens in Kunst umzuwandeln, die zugleich ein Netz überm Abgrund bildet, damit man nicht zu tief fallen kann. Denn überhaupt zu fallen gehört genauso zur Gesamtperformance namens Leben wie die scheinbar spielerisch leichten Höhenflüge, die erst durch sehr viel Übung und nach dem einen oder anderen Sturz oder Rückfall so gekonnt von der Hand gehen, dass es die eventuellen „Oh“s und „Ah“s hervorruft. Doch das ist gar nicht die Hauptsache - jedenfalls nicht für mich, die ich mich um meiner selbst willen lieber auf den Seiltanz konzentriere...
„Du bist ja reichlich verwegen.“
Verwegen? Bloß, weil ich meine Persönlichkeit nicht nackt auf dem Präsentiertablett serviere, sondern einfach - ganz bescheiden - ich selbst bin? Wer mich kennen lernen will, gerne, ich habe nichts dagegen, sofern es ehrlich geschieht. Wer nicht, auch gut. Ich bin auf niemanden angewiesen und auch niemandem Rechenschaft schuldig. Es ist mir klar, dass ich nicht jedem gefallen und auch nicht von allen verstanden werden kann. Wenn aber doch jemand daran interessiert ist, mich kennen zu lernen, dann bitte richtig. Mit allen Facetten. Wenn Du mich dann auch noch so annehmen kannst, wie ich bin: Herzlichen Glückwunsch, mein Freund!
Ansonsten war es trotzdem nett, mal mit Dir geplaudert zu haben.

Dienstag, 1. August 2006

Hinweis!

Sämtliche hier veröffentlichten Texte und Bilder sind mein persönliches geistiges und schöpferisches Eigentum. Ihr dürft es lesen, betrachten und kommentieren - letzteres natürlich mit Stil, d.h. bitte über der Gürtellinie. Aber - ich weiß, diese Bitte bekommt man in jedem Museum zu hören :D - bitte fasst nichts an und lasst nichts mitgehen. Danke.

Dienstag, 25. Juli 2006

Brühwarmer Genuss

Schon morgens, während du dich noch verschlafen im Bett räkelst, bin ich dein erster Gedanke. Sanft streichelt dein inneres Kopfkino, in dem ich in diesem speziellen Augenblick und mehrmals über den Tag verteilt die Hauptrolle einnehme, dich wach, und bringt dich schließlich dazu, gegen deinen Willen doch aufzuspringen und auf mich zuzurennen. Du lässt dich von mir leiten wie eine Marionette, bist mir hoffnungslos verfallen.
Und ich muss zugeben, ich mag es. Ich betrachte es als meine Lebensaufgabe, dich jeden Tag zu unterschiedlichen Zeiten zu verführen, damit du all deine Sorgen des Alltags wenn schon nicht vergisst, so doch einen Moment lang draußen lassen und Energie tanken kannst. Es ist der einzige Sinn, warum ich hier bin: Um dich glücklich zu machen, Baby!
Aber ich schätze, das weißt du schon längst. Sonst würdest du mich nicht morgens am Frühstückstisch so heiß machen, bis deine Lippen mich berühren und ich mich endlich wie ein Lavafluss in deinen Schlund ergieße, um dir den Genuss zu verschaffen, nach dem es dir dermaßen gelüstete, als hättest du ihn nicht erst gestern, sondern tausend Jahre nicht gehabt.
Du bist süchtig nach mir - sehnsüchtig. Als gäbe es nichts anderes auf der Welt. Und weißt du was? Ich brauche dich auch; ich bin auf dich angewiesen, weil ich ohne dich meinen Lebenszweck nicht erfüllen könnte. Beziehungsweise mein Dasein wäre dann leer - als hohle Frucht würde ich an einem Baum hängen, würde schließlich verschrumpeln, ganz tief fallen und zur Erde zurückkehren. Wie der Lauf der Natur nun einmal so ist.
Deshalb erfreue ich mich an unseren täglichen kleinen Ritualen, die schon lange kein Geheimnis mehr sind. Die anderen machen es doch genauso. Und zwar überall: Am Küchentisch, im Bistro, auf offener Straße, im Vorbeigehen, im Zug... Nur auf dem Klo ist noch keiner dabei erwischt worden. Das wäre den meisten dann doch etwas zu abartig.
Oh, Entschuldigung! Ich wollte dir nicht den Appetit verderben. Schmecke ich dir noch? Upps, sorry... Na ja, eigentlich bist du es ja selbst Schuld, wenn du dir mal wieder in der Aufregung die Finger an mir verbrannt hast. Du konntest es wohl wie so oft gar nicht abwarten, was?
Nun lächle doch mal, es ist schließlich nichts passiert. So ist's recht! Siehst du, ich zeige schon Wirkung. Jetzt kann der Tag beginnen. Auf in dem Kampf!

Deine heißgeliebte Tasse Kaffee :D

Donnerstag, 20. Juli 2006

Das Schloss öffnet sich

Während sich das Wasser noch verschlafen um meine Festung kräuselte und das Geheimnis des Lebens, das sich in seinen Tiefen tummelte, weiterhin im Verborgenen lag, klopfte auf einmal ein Wort an das Tor meines Traumschlosses, verneigte sich höflich vor dem Wache schiebenden Bediensteten und bat um Einlass. Nach dem routinemäßigen prüfenden Blick wurde die Freundlichkeit in Person schließlich in mein Empfangszimmer geleitet, wo ich sie nach langem Gespräch ihrem Ehrenplatz in einem dicken Goldrahmen überm Kamin zuführte.
Ich war gerade das letzte Mal mit dem Staubwedel über jenes ovale Spiegelporträt gefahren, da wurde mir schon der nächste Besuch angekündigt: Die Freude, die älteste Tochter der Freundlichkeit, war eigentlich nur auf einen Sprung vorbeigekommen; doch dem Wirbelwind gefiel es so gut in diesem Palast, dass auch sie zum Dauergast wurde.
Sicher, wenn Tante Trübsal in ihrer langen schwarzen Robe oder Onkel Hass-an in signalroten Gewändern und gestachelten Stiefeln sich temporär als Untermieter einnisten würden, würde die Freude auch mal zum Fenster hinausfliegen. In der Zwischenzeit vergnügte sie sich damit, begeistert durch sämtliche Räume zu schweben, fröhlich wie ein Flummi umhertitschend in der Küche und streichelsanft gleich einer lauen Brise in den Gemächern. Dabei verbreitete sie überall ihren unverwechselbaren Duft, der in verschiedenen Spielarten von Süß ihre Farbe zwischen rosenblütenrot, schweinchenrosa, sonnengelb und pfefferminzgrün wechselte und dabei seine jeweils passende Sinfonie aus Geigen-, Bimmelglöckchen-, Balalaika- und Triangelklängen aufspielte.
So fasziniert hatte ich mich von diesem Sinnenzauber, der eigentlich ein Strudel phantastischer Magie war, in ihren Bann ziehen lassen, dass ich erst gar nicht bemerkte, dass seit geraumer Zeit ein weiteres Wort hartnäckig gegen das Schlosstor hämmerte.
"Jaaahaa, ist ja schon gut," rief ich dem Gehämmer nicht gerade beruhigend entgegen. "Ich gehe ja schon." In solchen offenbar dringenden Fällen empfing ich die Worte immer persönlich - auch wenn ich manche nur zu gern zurückgeschickt oder aber mit einem deftigen Tritt in den Wassergraben befördert hätte.
Bei diesem hier war es anders. Ihm konnte ich mich nicht so einfach entziehen. Es hatte den weiten Weg nur für mich gemacht, um seine Botschaft zu übermitteln:
"Hallo."
Es war der Beginn einer wunderbaren Freundschaft.

Anstatt einer Vorstellung

Ich bin zwar nicht Millionärin, aber reich an Gedanken, die umherhuschend zu schade sind, um nicht wenigstens nach und nach aufgeschrieben zu werden.

Ich bin zwar nicht reich an Jahren, aber dafür zähle ich die Stunden, in denen ich lebe, die heiteren wie die dunklen, und nutze jede Minute, um ein Stückchen mehr zu mir selbst zu gelangen.

Ich mag zwar nicht reich an Wissen sein, nutze jedoch das, was ich an solchem besitze, klug, ziehe wenn erforderlich meine Handlungskonsequenzen daraus und erweitere gern meinen Horizont, wenn ich eine Lücke schließen möchte.

Ich bin zwar nicht reich an Erfahrung, weiß aber die, die ich gemacht habe, nach gründlicher Überlegung sehr gut einzuschätzen.

Auch messe ich mich nicht an der Größe meines Freundeskreises, sondern konzentriere mich lieber auf einige wenige, denen ich dann aber auch wirklich vertrauen kann.

Es ist nicht mein Ziel, von möglichst vielen Menschen bewundert zu werden - ich weiß, dass ich nicht allen geschmacklich, ideologisch und inhaltlich gerecht werden kann. Stattdessen bleibe ich authentisch, bilde stets meinen Stil weiter und bleibe mir selber treu.

Das Schreiben ist für mich praktisch schon Selbstausdruck, seit ich einst das ABC lernte. Sicher kenne ich noch andere Möglichkeiten, mit meiner Kreativität zu spielen. Aber kein Bild, kein Foto hat jemals den Stellenwert des geschriebenen Wortes für mich ersetzen können. Während das Fotografieren und Gestalten für mich ein schöner Zeitvertreib, abwechslungsreiche und entspannende Zerstreuung und manchmal auch eine Inspirationsquelle darstellt, ist das Schreiben mir wie ein Teil meiner Persönlichkeit. Hier fühle ich mich zu Hause, das ist meine Welt.

Wer will, ist gerne eingeladen, mit mir unverbindlich in diese Welt einzutauchen und die bunten Korallenriffe meiner Seele mit eigenen Augen zu bestaunen. So lange Ihr nichts anfasst oder deformiert, was offensichtlich meines ist, seid Ihr herzlich Willkommen auf diese kleine Expedition ins Paradies der Worte unterm Meeresspiegel.

Unterm Meeresspiegel? Ja, denn ich bin ein Mensch, der auch mal gern unter die Oberfläche schaut, statt sich von der spiegelglatten See blenden zu lassen. Das soll nicht heißen, dass ich gern oder überhaupt untertauche. Nein, so bin ich nicht. Sonst wäre ich doch nicht hier, und auch nicht dort.

"Dort" ist mehr ein Ort für Jubel, Trubel, Heiterkeit, Geselligkeit und Zusammenhalt unter Gleichen; und die Verschiedenen haben mich noch nie gestört.

Wenn es mir draußen zu laut wird oder ich einfach die Muße und Ruhe brauche oder einfach frei drauflosschreiben will, ohne das Gefühl, mich selbst im Vornhinein zensieren zu müssen - nun, dafür habe ich diesen Raum. Einen Ruheraum, wo ich mich selbst und meine Gedanken sammeln kann und einfach mal sehen, welche Konturen sich da herauskristallisieren.

Klarheit durch Worte. Auf jeden Fall aber Befreiung.

Mittwoch, 19. Juli 2006

Eingang

Nun sitze ich hier vor diesem leeren Raum, der mit Worten gefüllt werden will. Irgendwie komisch, an einem anderen Ort ganz neu anzufangen. Man muss sich erst einleben, an diesem neuen Ort navigieren lernen, ihn einrichten (wenngleich es im Groben ja schon fertig möbliert ist, und auf das Wesentliche will ich mich hier auch beschränken, kein ablenkendes Schnickschnack)... Aber das wird schon. Da bin ich überzeugt. Einmal ganz von vorne anfangen, einen neuen Raum für meine Worte entdecken, das hat schon was.

Es war eigentlich mehr eine spontane Idee, hier einen neuen Blog zu eröffnen. Bisher weiß auch noch niemand davon. Es ist auch ganz gut so. Irgendwie ein schönes, befreiendes Gefühl, mich einfach still und heimlich in ein noch ganz frisches schreibendes "Abenteuer" zu stürzen in dem Wissen, dass der Kreis derer, die jemals einsteigen werden, von Vornhinein gering und überschaubar sein wird.

Hach, ist das herrlich, diese Stille, und diese Übersicht...
Ich könnte sie noch eine Weile genießen, aber ich wollte ja noch kurz etwas zu meiner Intention, diesen Blog zu führen, sagen:

Die Grundidee ist die, einfach einen Raum zu schaffen, in dem sich meine Worte frei austoben können. Hier werde ich hauptsächlich meine Gedanken in Textform schreiben, Dinge, die sonst nirgendwo Platz finden, aber auch Kurzgeschichten und anderes, was mir so über die Tastatur läuft. Es ist so eine Art Skizzenblog für mich selbst, wo ich regelmäßig inspiriert zu irgendeinem bestimmten Thema, Bild oder was auch immer etwas schreiben werde, einfach aus der Lust am Schreiben heraus, um einem meiner größten Hobbies zu frönen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Man könnte es auch "Kreativübung" nennen.

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